PorträtsTharshika Thavayogarajah

Die angehende Ärztin Tharshika Thavayogarajah will ein Netzwerk für Frauen in der Medizin gründen.„Meine Empfehlung: Sei die Erste, die sich traut.“

Ich bin überzeugt, dass Frauen in Medizin und Forschung Veränderungen bewirken können. Aktuell haben sie es noch schwer. Sie sind im Studium und im Beruf zwar mittlerweile in der Mehrheit, aber eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen, ist weiterhin schwierig. Universitätskliniken sind häufig starre, hierarchische Systeme. Auch ich habe während des Studiums die Erfahrung gemacht, dass Frauen es schwer haben, wahrgenommen zu werden, besonders in der Forschung. Wir sind aber nicht das schwache Geschlecht.

Es fehlt uns einfach an Netzwerken und Mentoren, die einen wirklich fördern wollen. Die gläserne Decke haben sich die Frauen nicht ausgedacht. Sie ist tatsächlich ein Hindernis. Ich habe glücklicherweise eine großartige Mutter und dazu Mentoren gefunden, ohne sie hätte ich es nicht geschafft.

Meine Eltern gehörten in Sri Lanka einer Minderheit an. Sie sind 1985 vor dem Bürgerkrieg geflohen und haben in Deutschland die Erfahrung gemacht, dass ihre Bildungsabschlüsse nicht anerkannt wurden. Deshalb hat meine Mutter mir mitgegeben, dass Bildung der Schlüssel zum Erfolg ist. Meine Berufung habe ich bei einem Schülerpraktikum auf einer Station für Kinderhämatologie gefunden. Ich habe mit kranken Kindern berührende Gespräche geführt und verstanden, dass es in dem Feld noch einen großen Forschungsbedarf gibt. Dadurch entstand mein Traum, Ärztin und Forscherin zu werden.

Als ich in der zwölften Klasse an meinem Gymnasium zu einer der Jahrgangsbesten wurde, fingen Mitschüler an, mich in einer Schulpause mit Schildern und Sketchen zu beschimpfen. Da habe ich erstmals realisiert, dass ich anders wahrgenommen werde. Bis dahin hatte meine Herkunft nie eine Rolle gespielt. Durch viel Reflexionsarbeit kann ich Alltagsrassismus heute besser wahrnehmen. Die Erfahrung hat mich aber auch stark gemacht. Ich habe gelernt, ungerechtes Verhalten nicht zu akzeptieren.

Bei Medizinkongressen habe ich Fragen gestellt und Professoren für Kooperationsprojekte angesprochen, obwohl das für angehende Ärztinnen unüblich ist. Meine Empfehlung: Sei die Erste, die sich traut. Auch das GEH DEINEN WEG-Programm hat mir geholfen. Im Austausch mit meinen Mitstipendiaten habe ich verstanden, dass ich durch meinen Migrationshintergrund eine Perspektive mitbringe, die wertvoll ist.

Im kommenden Sommer werde ich eine Stelle als Assistenzärztin an einer der renommiertesten Universitätskliniken Europas antreten. Meine Promotionsarbeit hatte ich davor weltweit auf Konferenzen vorgestellt. In der Forschung möchte ich auf jeden Fall bleiben. Außerdem möchte ich ein Netzwerk für Frauen in der Medizin gründen, um Nachfolgerinnen den Weg zu erleichtern. Wenn wir weitergeben, was wir gelernt haben, unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Hautfarbe, können wir dafür sorgen, dass unsere Welt ein besserer Platz für alle wird.