PorträtsShahwan Borto

Shahwan Borto hat einen Verein gegründet, der Geld für benachteiligte Mädchen sammelt.„Ich habe überlegt, was ich tun könnte. Also bin ich zu einem Baumarkt gefahren.“

Vor zehn Jahre sind meine Mutter, meine vier Geschwister und ich aus den jesidischen Gebieten im Nordirak aufgebrochen, um nach Deutschland zu fliehen. Dort hat mein Vater auf uns gewartet, den ich jahrelang nicht gesehen hatte. Er war schon vor uns nach Deutschland gekommen. Als Familie haben wir auf ein friedliches Leben gehofft, ohne Angst vor Verfolgung aufgrund unserer religiösen und ethnischen Identität.

Nach der Ankunft habe ich begriffen, welche Chancen sich für mich in Deutschland eröffnen. Als Kind bin ich um vier Uhr morgens aufgestanden und habe schon vor dem Unterricht Deutsch gelernt, anders ging es nicht. Ich und meine Familie haben damals zu siebt in einer Zwei-Zimmerwohnung im Kölner Stadtteil Kalk gewohnt. Zum Glück bin ich in einem Elternhaus aufgewachsen, das großen Wert auf Bildung gelegt hat: Wir sollten es einmal besser haben als sie.

Der August 2014 hat mein Leben verändert: Ich war damals schon Schülersprecher auf einem Gymnasium. Als der Islamische Staat mit dem Völkermord an den Jesiden im Irak begonnen hat, bin ich mit meiner Familie zu Demonstrationen gefahren. Wegen der Ohnmacht innerhalb der jesidischen Gemeinschaft in Deutschland habe ich überlegt, was ich tun könnte, damit Flüchtlinge im Irak Kleidung und Essen bekommen. Also bin ich zu einem Baumarkt gefahren, habe dort Plastikboxen gekauft, um sie in meiner Schule aufzustellen.

Auf einen Zettel habe ich geschrieben: Spende dein Pfand. Rasch kamen 80 Euro zusammen. Also haben wir einen Verein gegründet. Seitdem verschicken wir unsere Pfandboxen an Schülervertretungen und auch an Firmen. Sie sammeln die Pfandflaschen und überweisen uns das Geld. Wir geben es dann an zwei Projekte mit einem Schwerpunkt auf Mädchenbildung weiter.

Wir unterstützen junge jesidische Frauen, die vom Islamischen Staat zeitweise versklavt worden sind. Mit unserer Hilfe können sie ihr Studium wieder aufnehmen. In Togo geht das Geld an Mädchen, die Opfer von Genitalverstümmelungen geworden sind. Mittlerweile sind wir in neun Bundesländern aktiv und betreuen 55 Partner. Unser Verein ist mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Preis „Filippas Engel“, der für soziale Projekte verliehen wird. Pro Woche arbeite ich weiterhin 15 Stunden ehrenamtlich für den Verein.

Mittlerweile habe ich ein Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der European Business School in Wiesbaden begonnen. Gerade bin ich zum Studentensprecher gewählt worden. Ich will mich auch in Zukunft für Frieden und Wohlstand einsetzen.